Italienreisende
Italien - das Sehnsuchtsland mit Tradition. Bereits seit der Renaissance gingen die, hauptsächlich, männlichen Sprösslinge des europäischen Adels, später auch des Bürgertums, auf Grand Tour durch Mittel- und Südeuropa.
Im Laufe der Jahrhunderte änderten sich natürlich nicht nur die Beweggründe, sondern auch die Art und Weise des Reisens. Aber auch der moderne Tourist steht nach wie vor fasziniert vor bedeutenden Baudenkmälern und Kunstwerken aller Epochen und genießt herrliche Ausblicke in malerische Landschaften.
Grand Tour [g??~'tu??] (franz.; dt. große Reise) (auch Kavalierstour, Cavaliersreise u. a. Bildungsreisen) war die Bezeichnung für eine seit der Renaissance obligatorische Reise der Söhne des europäischen Adels, später auch des gehobenen Bürgertums, durch Mitteleuropa, Italien, Spanien und auch ins Heilige Land. In weiterem Sinne wurden auch die Bildungsreisen erwachsener Angehöriger der genannten Stände so bezeichnet. Insbesondere in England fand die Grand Tour im achtzehnten Jahrhundert einen reichen literarischen Niederschlag.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kommt ein neuer Typus der Italienreise auf: es sind die Kunstreisen Johann Joachim Winckelmanns (ab 1758) an die antiken Stätten Rom, Neapel und Pompeji. Die Künstlerin Angelika Kauffmann studiert in mehreren Reisen ab 1760 die Kunst der Antike und der Renaissance in Rom (1763-1766) und malt Porträts berühmter Italienreisender. In den Fußstapfen Winckelmanns reist auch Goethe nach Rom (1786), wo er mit der dort lebenden deutschen Künstlerkolonie zusammentrifft (darunter mit dem Schriftsteller Karl Philipp Moritz, dem Kunsthistoriker Johann Heinrich Meyer und dem Maler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, dem Schöpfer des berühmten Gemäldes Goethe in der Campagna, 1787).
Mit Goethes autobiographischem Prosatext Italienische Reise (veröffentlicht erst 1816-1817) entsteht ein neuer Typus der Bildungsreise, der einflussmächtig auf das 19. Jahrhundert wirkt. Goethes Römische Elegien (1795) und die Mignon-Lieder aus Wilhelm Meister (1795-1796) nähren die Rom- und Italienbegeisterung der deutschen und europäischen ‚Gebildeten‘ und tragen zur Konstitution des klassischen Bildungsideals bei.
Unter den berühmten Italienreisenden Frankreichs ragen Madame de Staël und Stendhal hervor. Germaine de Staëls auf den Einfluss der deutschen Romantik zurückgehende romantische Reise in ihrem Italienroman Corinne ou l'Italie (1807) steht dem Geist von Goethes Bildungsreise nahe. Stendhal, der sich seit dem Jahr 1800 bis kurz vor seinem Tod 1842 lange Jahre in Italien aufhielt, zuerst als Offizier im Gefolge Napoleons in Mailand, später als Diplomat in Civitavecchia bei Rom, verdankt Staëls Roman wichtige Anregungen für seinen eigenen Italiendiskurs in den Werken Histoire de la peinture en Italie (1817), seinen Promenades dans Rome, Naples et Florence en 1817 sowie den Promenades dans Rome (1829) und den Idées italiennes sur quelques tableaux célèbres (1840).
In der Vorlesung sollen die Stätten der Bewunderung in den Zeugnissen der Schriftsteller vorgestellt werden. Im Zentrum der Betrachtung stehen die Städte Rom, Neapel, Venedig, Florenz und Verona. Untersucht werden soll, wie diese Städte bei den genannten Autoren des beginnenden 19. Jahrhunderts eine jeweils eigene Modellierung und eine Stilisierung zu künstlerischen / literarischen Mythen erfahren. Gestreift wird schließlich auch der Einfluss anderer deutscher, französischer und englischer Romantiker auf diese Mythisierungen italienischer Städte. So schafft z.B. Lord Byron einen neuen romantischen Mythos von Venedig.